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„Drum will ich Mensch sein…“

Lesung mit Axel Klingenberg, freier Schriftsteller, Geschichtenschreiber, Satiriker, Poet im Kurs de34

„Was ist der Mensch?“ Eine schwierige Frage, die das Kerncurriculum für das zweite Halbjahr den Deutschkursen des zwölften Jahrgangs auf den Weg gibt. Und dann soll diese Frage noch anhand von Gedichten beantwortet werden, diese bedeutungsträchtigen Texte voll von unentschlüsselbaren Bildern und kryptischen Stilmitteln… Erfrischend anders waren da die Gedichte, die der Braunschweiger Schriftsteller Axel Klingenberg, der auch etliche Werke über Eintracht Braunschweig und ein Unter-Anderem-Wolfsburg-Buch verfasst hat, dem Deutschkurs de34 am Freitagmorgen am 08. Juni 2023 vortrug. Mitgebracht hatte er seinen Notenständer und seinen kleinen, tintenblauen Band „Vorgezogener Nachlass. Gedichte“. Noch lebend, sagte er augenzwinkernd zu dem Titel, hatte er selbst entscheiden wollen, was von ihm der Nachwelt vermittelt wird. Und das waren erst einmal flotte, wortspielerische Gedichte über die Widrigkeiten des Lebens, seltsame Begegnungen mit Obdachlosen und nervtötenden Zugbegleitern, Bankräuber vor Gerichten und lästige Alltagspflichten, die bei den Schüler, dieses Mal tatsächlich nur 12 männliche Mitglieder, überraschtes Schmunzeln hervorriefen.

Nachdenklicher wurde es dann im zweiten Teil, als sich die Schüler in zwei Gruppen an die Interpretation von Klingenbergs Adaption eines Gedichts von Erich Mühsam wagten. Sind wir Menschen wirklich „Vor der Wahl stehend“, so der Titel? Sind wir menschlich, weil wir zu allem eine freie Entscheidung treffen können, oder sind wir, in Klingenbergs Worten, „Wegen der Melodien und der Klänge,/der Liebe wegen/und der selbstgewählten Zwänge./Drum will ich Mensch sein“? Stimmen wurden laut, dass man unter vorgegebenen Bedingungen eine Auswahl treffen muss, während andere sich erlaubten, Freiheit soweit zu denken, dass wir mit allen Erwartungen brechen und auch als Trompetenspieler unser Lebensglück finden können. Und der anwesende Dichter, wie reagierte er auf die angebotenen, dann doch nicht so weit auseinanderliegenden Interpretationen seines Textes? Er betonte, der Mensch müsse sich immer im gesellschaftlichen Kontext finden. Im Sinne des französischen Existentialisten Sartre bedeute frei sein auch, zum Freisein verurteilt zu sein, doch gemeinsam mit Freunden und Mitmenschen sei dieser Zwang auf jeden Fall immer etwas Positives.

Beeindruckt waren alle von den viel zu kurzen 90 Minuten. So betonte Finn, dass es interessant gewesen sei, zu erfahren, dass Gedichte auch erst einmal ohne festes Ziel und klaren Grund entstehen. „Ich hätte mir einen Dichter viel verschlossener und spezieller vorgestellt“, gab Hugo zu und empfand „den Austausch auf Augenhöhe richtig schön.“ „Indem wir den Urheber der Gedichte selbst befragen konnten, schließt sich heute der Kreis von zwölf Jahren Deutschunterricht mit theoretischen Gedichtsinterpretationen“, fasst Thassilo den Besuch im Bezug auf seine Schullaufbahn zusammen. Auch der Dichter staunte nicht wenig über das hohe Reflexionsniveau und die tiefgehenden Fragen des Kurses. Dass Lyrik lebendig und bereichernd ist, kann nachgelesen werden in dem Bändchen Vorgezogener Nachlass. Gedichte“, das Axel Klingenberg unserer Schulbibliothek „Zeilenzauber“ mit lobender Widmung geschenkt hat. Ruhig mal hineinschauen!                   (sh)

Tipps:
https://www.axel-klingenberg.de/ (externer Link)

Auswahl seiner Werke:
Axel Klingenberg: Vorgezogener Nachlass. Gedichte. ISBN 978-3-945715-58-1

Axel Klingenberg: 365 Tipps für einen schönen Tag in Braunschweig, Wolfenbüttel, Wolfsburg und Umgebung. ISBN: 978-3-8319-0721-2

Axel Klingenberg: Eintracht Braunschweig. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. ISBN: 978-3-8375-2439-0