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Theos Theaterabend: Schüler inszenieren zwei grandiose Stücke

von Michel Klaus Brzoska

Nach dem Erfolg der „Dreigroschenoper“ Bertolt Brechts, welche letztes Jahr vom damaligen zwölften Jahrgang aufgeführt worden ist, warteten die Darstellendes-Spiel-Kurse der jetzigen zwölften Klassen gleich mit zwei Stücken auf. Am Freitag, den 23. Juni, feierten sowohl Molières „Der Geizige“, inszeniert von Kurs ds32 unter der Leitung von Herrn Wesser, als auch das selbst verfasste Stück „CEBO“ vom Kurs ds31 mit Frau Stockhaus Premiere. Wieder versammelten sich zahlreiche Eltern, Freunde und anderweitig Theaterinteressierte in der Aula des THG und ließen sich trotz schier unerträglicher Temperaturen gut zweieinhalb Stunden lang unterhalten.

Während „Der Geizige“ vor allem durch die schauspielerische Leistung seiner Darstellenden und die komplexen, auswendig gelernten Monologe, Dialoge und Choreographien bestach, schien es in „CEBO“ weit weniger erfolgreich abzulaufen. Doch mehr dazu sei später gesagt.

Molieres Klassiker bietet verzweigte Beziehungen, Gier und Intrigen. Der geizige Harpagon hat nämlich einen neuen Diener eingestellt, der loyaler nicht sein könnte. So wirkt es zumindest oberflächlich, denn Valère hat sich nur eingeschlichen, um die Hochzeit zu seiner heimlichen geliebten Elise, der Tochter Harpagons, zu erwirken. Der reiche Alte plant jedoch, sie einem Witwer zu überlassen, der sich verpflichtet hat, sie ohne Mitgift zur Frau zu nehmen. Zugleich möchte er selbst die arme, sparsame Marianne heiraten, die insgeheim mit seinem Sohn liebäugelt. Als dann obendrein noch der große Schatz Harpagons gestohlen wird, fühlt er sich von jedem verraten und ist bereit, alles zu tun, um ihn zurückzuerlangen. Das Auftreten des wohlhabenden, doch verloren geglaubten Vaters Valères und Mariannes verhilft dem Konflikt doch noch zu einem Happy End, indem zwei glückliche Ehen geschlossen werden und Harpagon sein Geld wiedererlangt. Ende gut, alles gut. Oder war dieser Ausgang am Ende gar nur geträumt?

In der Inszenierung des Kurses ds32 fallen dabei einige Besonderheiten auf. So trägt Harpagon trotz seines Reichtums nicht etwa einen schicken Anzug, sondern ein bloßes Unterhemd, über das er sich einen gestreiften Bademantel geworfen hat und dazu zwei verschiedene Socken. Zudem wechselt zur Hälfte des Stückes nach einer sehenswerten Tanzeinlage die Besetzung, was die Möglichkeit für verschiedene Interpretationen und Darstellungen der Figuren eröffnet, aber keineswegs zu einem Abfall der gleichbleibend hohen schauspielerischen Leistungen führt. Auch wird mittendrin etwas Abhilfe für die Zuschauerschaft in der stickigen Aula geschaffen, indem zwei Diener Melonenscheibchen verteilen. Besonders im Gedächtnis bleibt vielen außerdem die Bankettszene, in welcher erst zu einer eindrücklich rhythmischen Musik die Tische aufgebaut und gedeckt werden und anschließend in einer Abfolge von Standbildern der Konflikt am Tisch zwischen Vater und Sohn hochkocht. Doch auch darüber hinaus gibt es viele Momente und Bilder, die aus der Aula mit Lachen oder Erstaunen quittiert und im Nachhinein noch beeindruckt diskutiert wurden.

Im Anschluss an den tosenden Applaus des Publikums und eine kurze Pause steht dann der zweite DS-Kurs auf der Bühne. Doch Cole ist zu sehr von seinem fundamentalistisch-religiösen Vater indoktriniert, Alice viel zu selbstverliebt, Walter zu aggressiv und Vadim schlichtweg zu einfältig, um ihren angedachten Text vorzutragen. Das verzweifelte Lehrerpaar denkt bereits darüber nach, hinzuwerfen – „ich hätte BWL studieren sollen“ – als sich ihnen doch noch eine Lösungsmöglichkeit bietet: CEBO. Die Droge, die Alices in finanzielle Schwierigkeiten geratener Vater als letzten Ausweg auf den Markt bringt, „wirkt beruhigend, aufputschend, steigert die Leistungsbereitschaft, erzeugt Rausch für 72 Stunden“ und, vielleicht am wichtigsten, „lässt jeden über seinen Schatten springen“ – das zumindest verspricht die Packung. Wahrhaftig scheinen die Schülerinnen und Schüler nach dem Konsum wie verzaubert. Selbst Vadim schafft es, seinen Text fehlerfrei vorzutragen. Bei der Uraufführung folgt aber das Desaster – Alice zieht über ihren egoistischen Vater her, durch dessen Reichtum sie nie richtige Freunde anstatt bloßer Jasager hatte, Walter erkennt, dass sich seine „Freunde“ nur über ihn lustig machen und ihn tagein, tagaus quälen, Cole konfrontiert seinen Vater mit dessen religiösem Wahn und äußert Bedenken, die besonders in Zeiten von Internet und Social Media immer mehr Jugendliche haben: „Ich habe keine Ahnung, was ich glauben soll; keine Ahnung, wer ich überhaupt noch bin.“ Vadim wiederum emanzipiert sich von der Bevormundung durch seinen Vater und ihren Sozialarbeiter und formuliert seinen persönlichen Traum – er möchte Fahrrad fahren. Und während er auf seinem kleinen Fahrrad ein letztes Mal über die Bühne rollt und der Applaus des begeisterten Publikums aufbrandet, wird klar, dass CEBO lediglich ein PlaCEBO ist. Den Mut, sich von den gesellschaftlichen Erwartungen, besonders denen aus dem familiären Kreis, zu befreien und sich selbst zu finden, schöpften alle vier Schüler aus der eigenen Stärke.

An diesem Punkt muss ich hoffentlich nicht mehr anmerken, dass Alice, Vadim und Co. selbstverständlich die Figuren im Stück „CEBO“ sind, die wiederum von den Mitgliedern des ds31-Kurses des THG sowohl erdacht als auch mit Leben gefüllt worden sind und den Zuschauerinnen und Zuschauern Lacher um Lacher bescherten.

Doch auch für die Jungschauspielerinnen und -schauspieler waren die Aufführung und der Weg dorthin mehr als „nur Theater“. Sowohl bei der Konzeption, dem Verfassen der Texte, den zahlreichen Proben und natürlich der Aufführung konnten sie Einiges für ihr weiteres Leben mitnehmen. Viele haben ihre Komfortzone verlassen und sind über sich hinausgewachsen, um vor solch großem Publikum derart erfolgreich aufzutreten. Auch berichtet etwa Hugo (Vadim) davon, in der Erarbeitung des vollkommen selbst verfassten Stückes viele Kompromisse eingegangen zu sein und andere Meinungen akzeptiert zu haben, wodurch der DS-Unterricht wohl auch mit Fug und Recht von sich behaupten kann, demokratischen Pluralismus zu fördern. Lana (Alice) hat gelernt, dass man durch Mut und Offenheit „ganz neue Seiten an sich kennenlernen und […] ganz Neues schaffen kann“, und ein anderer Darsteller (Name dem Autor bekannt) erfuhr, dass auf der Bühne und im Leben „nicht immer alles nach Plan laufen kann oder muss“, dies aber nicht bedeute, dass das Resultat automatisch schlecht sei. Paul und Markus fanden über den DS-Unterricht sogar zum „richtigen“ Theater und nahmen an der diesjährigen Bürgerbühne im Scharoun-Theater Wolfsburg teil. Ein Bericht dazu findet sich auf der Website des THGs.

Jetzt bleibt uns also nur noch, bis zum folgenden Jahr und der nächsten Aufführung der neuen DS-Kurse gespannt zu warten – die bisherigen Stücke können nur optimistisch stimmen!

Und im Namen der beiden Darstellendes-Spiel-Kurse des zwölften Jahrgangs möchte ich mich hiermit noch einmal bei allen bedanken, die uns diese Erfahrung ermöglicht haben: Unseren Lehrkräften (Frau Stockhaus und Herrn Wesser), dem großartigen Technikteam des THGs (Jannik, Simon und Victor), der Choreographin Frau Roller, allen an Verkauf und Bereitstellung des Buffets an diesem Abend Mitwirkenden und natürlich bei euch, unserem Publikum.